„Trauern ist die Lösung und nicht das Problem.“ (Chris Paul)

Das Kaleidoskop des Trauerns ist ein Trauermodell, das von der deutschen Trauerexpertin Chris Paul entwickelt wurde.

Vielleicht kennst du selbst Kaleidoskope, die aussehen, wie kleine Fernrohre und mit verschiedenfarbigen kleinen Kristallen gefüllt sind? Wenn du ein Kaleidoskop in den Händen hältst und schüttelst, bewegen sich die farbigen Kristalle und mischen sich immer wieder zu neuen Mustern. So ist es auch beim TrauerKaleidoskop, dass sich aus sechs unterschiedlichen Facetten möglicher Erlebenswelten eines Trauerweges zusammensetzt, wie folgende Abbildung zeigt:

Dabei wird jeder Facette ein Begriff und eine Farbe zugeordnet:

  • Überleben: Diese Trauerfacette ist orange – wie eine leuchtende Warnweste, die wir wie eine Schutzhülle tragen, um unser Überleben zu sichern. Es ist wie ein eigenes körperliches Notprogramm, dass beim Tod einer nahestehenden Person in uns ausgelöst wird. Überleben hat Vorrang vor allen anderen Trauerfacetten, und hilft uns, wieder Kraft zu schöpfen. Jede*r von uns macht das anders, um im Alltag funktionieren und durchhalten zu können. Im Überlebensmodus beschränken wir uns auf das Allernotwendigste, lenken uns ab, hören laute Musik, treffen uns mit Freund*innen, gucken zum Fenster raus, schreien uns im Wald heiser.
  • Wirklichkeit begreifen: Diese Facette hat die Farbe Dunkelgrau, weil es so schwerfallen kann zu verstehen und zu begreifen, dass ein geliebter Mensch „wirklich“ tot ist, und sich damit alles verändert. Anders als verreist zu sein oder den Kontakt zu jemanden abgebrochen zu haben, ist der Tod endgültig, und kann nicht mehr zurückgenommen werden. Diese Wirklichkeit lässt sich nur mit jedem Tag, der vergeht, begreifen. Dabei hilft es, mit anderen Menschen darüber zu sprechen.
  • Gefühle: Diese Facette hat als Farbe ein kräftiges Rosa, weil die unterschiedlichen Gefühle in Verbindung mit Trauer, intensiv und stark, aber auch ganz zart auftreten können. Dabei kann es guttun, deine Gefühle erst einmal zuzulassen: weinen, seufzen, manchmal in einem Lachen, Türen knallen oder fluchen. Über Gefühle sprechen oder schreiben zu können, erleben viele Menschen als entlastend oder erleichternd – genauso wie alle anderen Formen, die eigenen Gefühle auszudrücken und besser auszuhalten, wie malen, tanzen oder singen. Auch körperliche Signale wie Kopf- oder Bauchschmerzen oder Schlafmangel können auftreten. Oft gibt sich das meist von selbst wieder.
  • Sich Anpassen: Dieser Trauerfacette ist die Farbe Grün zugeordnet. Wenn ein geliebter Mensch stirbt, ändert sich viel. Wir müssen uns an die neue Realität anpassen, egal, ob wir das wollen oder nicht. Auch Menschen aus unserem Umfeld, denen wir begegnen, verhalten sich auf einmal anders. Es kostet Kraft und ist anstrengend, sich auf diese Veränderungen einzustellen und allmählich zu lernen, neue Wege zu finden, um damit umzugehen.
  • Verbunden bleiben: Dieser Facette wird als Farbe ein leuchtendes Gelb zugeordnet – wie ein Sonnenstrahl, der für die Verbundenheit mit dem Verstorbenen stehen soll. Zwischenmenschliche Beziehungen bestehen nicht nur aus dem Bewusstsein einer inneren Verbundenheit, sondern auch aus Blicken, Berührungen und dem gemeinsamen Tun. Nach dem Tod eines Menschen müssen wir auf körperliche Gemeinsamkeiten verzichten und lernen, nur noch gedachte, gefühlte oder geahnte Möglichkeiten der Bindung zur Verfügung zu haben. Erinnerungen und Anekdoten über die verstorbene Person können uns helfen, ein Gefühl von Verbundenheit zum Verstorbenen zu spüren. Bei dieser Facette geht es um die Suche danach, was bleiben soll, und was in den Hintergrund treten kann, um sich mit ihren Verstorbenen in positiver und stärkender Weise verbunden zu fühlen.
  • Einordnen: Die Farbe Blau steht für die Trauerfacette des Einordnens. Genauso wie Trauerprozesse intensive Gefühle hervorrufen können, fordert es unser Denken heraus: Wie kann das alles sein und wie kann das Leben weitergehen, wenn ich weiß, dass es keine hundertprozentige Sicherheit mehr gibt? Wir versuchen, zu verstehen und einzuordnen, was passiert ist. Der Tod eines geliebten Menschen wirft uns aus der Bahn. Grundüberzeugungen werden überprüft, verworfen und angepasst. Wir sind gezwungen uns mit der Tatsache auseinandersetzen, dass wir alle sterblich sind. Im Laufe der Zeit gelingt es uns meistens immer besser, Freude und Trauer nebeneinander stehen zu lassen, da es in jedem Leben immer beides gibt.

Wie in einem Kaleidoskop sind alle Facetten des Trauerweges stets vorhanden, auch wenn sie sind nicht immer alle gleich sichtbar sind. Die Facetten mischen sich von Woche zu Woche, von Tag zu Tag, aber auch von Stunde zu Stunde ganz beweglich zu immer neuen Mustern - je nachdem, welche Facette gerade mehr im Vordergrund sein möchte.

Wenn du magst, findest du eine anschauliche Animation zum Trauerlexikon mit einer näheren Beschreibung unter folgendem Link:

https://trauerkaleidoskop.de/modell-trauerkaleidoskop-kaleidoskop-des-trauerns-chris-paul/

Verwendete Quellen zum Weiterlesen:

- Paul, Chris (2021): Ich lebe mit meiner Trauer. Das Kaleidoskop des Trauerns für Trauernde. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.

- Paul, Chris (2021): Wir leben mit deiner Trauer: Das Kaleidoskop des Trauerns für Freunde und Angehörige von Trauernden. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.